Es wird als „härtestes Polizeigesetz Deutschlands“ seit 1945 bezeichnet – und ist es wohl auch: Das neue bayrische Polizeigesetz, das am 15. Mai beschlossen werden soll, verleiht dem Polizeiapparat ganz neue Möglichkeiten: Maßnahmen wie Briefe abfangen, Online-Chats lesen sowie Abhörmaßnahmen bereits bei „drohender Gefahr“, also präventiv, sorgen für hehre Kritik, vom „Überwachungsstaat“ ist die Rede. Neben zahlreichen Experten und auch Oppositionsparteien, die sich zu Wort melden bzw. Klagen ankündigen, gehen auch immer mehr Menschen in ganz Bayern gegen das geplante Gesetz auf die Straße. Privatsphäre ist den Bayern wichtig, beinahe 60 % der Bürger sind laut einer Grünen-Umfrage gegen Überwachung und Eingriffe in die Privatsphäre.
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Lauschangriff & Co bereits bei „drohender Gefahr“
Ist es bisher notwendig, dass eine „konkrete Gefahr“ vorliegt, sieht das Gesetz bereits den Einsatz der Polizei bei einer „drohenden Gefahr“ vor. Und genau dieser kleine Unterschied lässt die Wogen hochgehen. Denn mit dem neuen Gesetz dürfte die Polizei bereits viel früher und umfassender eingreifen, auch wenn nur ein Verdacht vorliegt. Konkret dürfen Briefe abgefangen, DNA für Fahndungen analysiert oder auch Gesichtserkennungs-Software auf öffentlichen Orten eingesetzt werden. Das Recht auf bürgerliche Freiheit sieht natürlich anders aus. Das sehen auch die Bayern so: Es sind bereits einige Proteste abgehalten worden, weitere sind in Planung. Allen voran eine Großdemo am 10. Mai in München, die unter dem Motto „Kein Angriff auf unsere Freiheits- und Bürger*innenrechte!“ die Verabschiedung des Gesetzes verhindern will. Mehr als 16.000 Menschen interessieren sich laut Facebook für die Kundgebung.
Arbeit der Polizei erleichtern
Es gibt natürlich auch immer eine Gegenseite zu den Kritikern, die das neue Polizeigesetz entsprechend verteidigen: Gewisse Regeln seien einfach nicht mehr zeitgemäß und würden die Arbeit der Polizei erschweren. Beispielsweise darf sie momentan die Daten aus der Cloud eines sichergestellten Handys nicht auswerten, sondern nur den stationären Speicher. Mit dem neuen Gesetz würde das fallen. Eine ebensolche neue Erleichterung ist der geplante Einsatz von Drohnen bei Fahndungen. Die Behörden haben bei solchen Maßnahmen den Schutz vor Terrorismus im Kopf, was heutzutage leider immer wichtiger wird. Außerdem sei eine ausreichende Kontrolle der erweiterten Befugnisse selbstverständlich gegeben, so der bayrische Innenminister.
Stein des Anstoßes Nummer 2: Psychiatriegesetz
Aber nicht nur das neue Polizeigesetz sorgt für Unruhe: Das ebenfalls in Bayern geplante Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz stößt auf herbe Kritik von Organisationen und Experten. Es wird vom „gläsernen Patienten“ und der „öffentlichen Stigmatisierung“ psychisch Kranker gesprochen und davon, dass Menschen mit Straftätern gleichgesetzt würden. Was ist hier geplant? Depressive Menschen sollen erfasst und deren sensiblen Daten fünf Jahre lang gespeichert werden – staatliche Stellen wie die Polizei u. a. hätten dann darauf Zugriff. Also wiederum eine Überwachung und vor allem auch gefährlich für die Betroffenen, wie Thomas Pollmächer, Vorstand des Bundesverbandes „BDK” der leitenden Ärzte von psychiatrischen Kliniken, der Süddeutschen Zeitung sagt: „Im vorliegenden Gesetzentwurf wird ein Kontext geschaffen, in dem psychisch Kranke befürchten müssten: ‚Wenn ich mich jetzt oute, dann laufe ich Gefahr, sofort weggesperrt zu werden‘“. Eigentlich als Hilfegesetz geplant, macht auch dieses Gesetz nicht den Anschein, als würde es das avisierte Ziel tatsächlich treffen …
Quelle: Süddeutsche Zeitung, netzpolitik.org
Erstellt am: 04/29/2018