Am 20. April war es wieder soweit: Der Verein Digitalcourage vergab die BigBrotherAwards. „Freuen“ durften sich heuer unter anderem Microsoft, die hessische Landesregierung und Amazon. Letzter erhielt den Negativpreis keineswegs verwunderlich für seine omnipräsente, gleichzeitig lästige aber auch irgendwie unheimliche Alexa, ihres Zeichens digitale Sprachassistentin in Amazon-Lautsprechern.
Bereits seit dem Jahr 2000 wird (nach Amerika) auch in Deutschland der BigBrotherAward vergeben, der in etwa mit der Goldenen Himbeere für schlechte Schauspielleistungen zu vergleichen ist. Dieser Anti-Oscar geht allerdings nicht an Filmsternchen, sondern an Datenkraken, sprich die größten Datensünder eines Jahres, um diese öffentlichkeitswirksam „an den Pranger zu stellen“. Viele Konzerne, von Telekom über die Bahn bis hin zu Lidl, wurden bereits mit dem Award für ihren negativen Umgang mit dem Datenschutz belohnt. Meistens wird der Preis beim Galaabend allerdings kaum verwunderlich nicht persönlich abgeholt …
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Microsoft saugt Daten ab – ohne Abschaltknopf
Zurück zur heurigen Preisverleihung und ihren zweifelhaften Gewinnern, zu denen auch ein ganz Großer der IT-Branche gehört: Microsoft hat sich den BigBrotherAward in der Kategorie Technik gesichert. Aus gutem Grund: Windows 10 überträgt telemetrische Daten (z.B. Browserdaten oder Infos zu installierten Programmen) an die Server des Konzerns. Abschalten? Fehlanzeige! Selbst massiver Aufwand versierter (!) User verhindert die Übertragung nicht komplett, wie ein Bericht des Bayerischen Beauftragten für Datenschutz aus 2017 zeigte. „Normalos“ haben sowieso keine Chance, da Änderungen vieler Klicks bedürfen und man, wenn man dann doch mal hinfindet, überhaupt nur zwischen „vollständiger“ oder „einfacher“ Übertragung wählen kann.
Knackpunkt: Was macht Microsoft mit unseren Daten?
Laudator Frank Rosengart vom Chaos Computer Club hatte dazu ganz klare Worte an Microsoft: „Aus Nutzerinnensicht ist es eine Sauerei, dass sich die Übermittlung praktisch nicht deaktivieren lässt – zumal es für viele Menschen zu Windows als Betriebssystem aus Kompatibilitätsgründen keine Alternative gibt.” Noch dazu ist natürlich nicht klar, was der Konzern mit den gesammelten Infos eigentlich macht: „Was geht es Microsoft an, ob Sie Ihren Computer eher als Schreibmaschine, als Spielzeug, als Fernseher oder für Bildbearbeitung benutzen? Und was macht die Firma mit dieser Information? Wir wissen es nicht.“
Hessen übertreibt es mit der Sicherheit
Nicht nur Unternehmen werden ausgezeichnet, es gibt auch eine eigene Kategorie für Politik. Hier konnten sich die CDU und Bündnis90/Die Grünen mit ihrem neuen hessischen Polizeigesetz sowie Verfassungsschutzgesetz durchsetzen, da diese laut BigBrother-Jury einen „Weg in den präventiv-autoritären Sicherheitsstaat” beschreiten. Konkret sollen „terroristische Gefährder“ zu Prävention bereits von vornherein mit elektronischen Fußfesseln ausgestattet werden, was Menschenrechtsorganisationen aufstößt, da ja noch keine Straffälligkeit vorliegt. Außerdem möchte das Land Hessen einen Trojaner einführen, der heimlich auf den Geräten von Verdächtigen Daten absaugen soll. Diesem Plan stehen aber momentan noch verfassungsrechtliche Probleme entgegen.
Alexas Allmacht kommt nicht gut an
Wohin man auch schaut: Amazons Alexa macht es sich in immer mehr Wohnzimmern, aber auch an anderen Orten wie Autos oder Kühlschränken, breit. Mit dieser um sich greifenden Allmacht einer künstlichen Intelligenz (generell von Smart Speakern und digitalen Assistenten) haben Datenschützer ein Problem: Das „neugierige, vorlaute, neunmalkluge und geschwätzige Lauschangriffdöschen” und seine Kollegen von Google Home oder Apple lauschen ihren Besitzern und leiten dann alle gesammelten Infos an die Server des Unternehmens. Für Datenschützer padellun ein ganz klarer Fall von „einer Abhörschnittstelle, die sich zum Beispiel als Wecker tarnt”. Und auch wenn die Hersteller etwas anderes behaupten: Man könne nicht mit Sicherheit wissen, ob Alexa & Co nicht doch einfach ALLES aufzeichnen und nicht nur dann, wenn sie aktiviert werden. Weiters kritisierte padeluun die anstehenden Entwicklungen, die beängstigende Ausmaße annehmen könnten – erkennt Alexa beispielsweise in Zukunft unsere Stimmung und kann dies zur weiteren Manipulation nutzen?
Überwachung von Flüchtlingen mittels Software
Ebenfalls kritisiert und Gewinner eines BigBrotherAwards wurde eine Software von Ceviso, die auch im Flüchtlingsmanagement verwendet wird: „Mit dieser Software werden Bewegungen zum und auf dem Gelände, Essenausgaben, medizinische Checks, Verwandtschaftsverhältnisse, Religions- und Volkszugehörigkeiten erfasst und gespeichert”, erklärte Datenschutzexperte Thilo Weichert bei seiner Ansprache. Was mit solchen Daten alles gemacht werden kann, ist mittlerweile ja bekannt: Schnell mal verknüpft liefern diese Profile einzelner Menschen. Für Weichert ein absolutes No Go.
Getarnte Gesundheitskontrolle durch Arbeitgeber?
Eigentlich auf den ersten Anschein eine nette Idee: Eine Firma nutzt eine App, um ihre Mitarbeiter vor Burnout zu bewahren bzw. rechtzeitig dagegen handeln zu können. Die BigBrotherAward-Jury sieht das allerdings etwas anders: Die Firmen Soma Analytics und Ceviso Software machen durch ihre App Kelaa die Aufzeichnung der Vitalwerte von Angestellten möglich. So können Stresssymptome erkannt werden – was die Datenschützer als Kontrolle und Überwachung von Mitarbeitern werten. Die App-Entwickler selbst verteidigen ihr Werk, dieses sei der „der psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz” gewidmet und werde absolut freiwillig genutzt sowie mit Betriebsrat & Co abgestimmt.
Ihr seht: Sowohl große als auch kleiner Unternehmen, politische Parteien & Co haben jede Menge Einfälle, wie man den Datenschutz umgehen kann bzw. Daten anderweitig nutzt … Gut, dass der BigBrotherAward einige solche besonders bedenklichen Fälle alljährlich aufzeigt.
Quelle: Zeit Online, BigBrotherAward
Erstellt am: 05/05/2018