Mehr Abfragen & verdeckte Fahndungen im Schengen-Informationssystem

Das Schengen-Fahndungssystem hat mit seinen nahezu 100 Millionen Datensätzen gleich zwei Höchststände zu verzeichnen: Sowohl die allgemeinen Datenabfragen sind stark gestiegen, aber auch die Anzahl heimlicher Fahndungen hat einen massiven Anstieg zu verzeichnen. Im System werden gesuchte, vermisste oder unerwünschte Personen geführt. Weiters sind Kraftfahrzeuge, die überwacht werden müssen und gestohlene Autos darin vermerkt.

Nachdem leider auch Europa keine Insel der Seligen mehr ist, ist die Frage nach mehr Sicherheit und Schutz vor Terror und Kriminalität mittlerweile eine ganz wesentliche. Dies spiegelt sich auch in der Zahl der Fahndungen des nichtöffentlichen Schengen-Informationssystems (SIS) wieder: Laut WELT verweist der zuständige EU-Sicherheitskommissar Julian King auf fast vier Milliarden Abfragen 2016, was einer Steigerung von 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Zugriff haben die Sicherheitsbehörden aller 26 Schengen-Staaten sowie Europol, Grenz- und Zollbehörden und nationale Staatsanwaltschaften.

Immer öfter verdeckte Ermittlungen & „unverzügliche Meldungen“

Für Polizei und Geheimdienste in Europa spielt das System eine ganz besondere Rolle: Diese Behörden möchten ihre Untersuchungen natürlich nicht offensichtlich durchführen, sondern bevorzugen eine verdeckte Verfolgung. Und genau das ermöglicht SIS, in dem es Reisewege, Begleitpersonen und Kontaktdaten von Verdächtigen aufzeigt (beispielsweise bei der Grenzkontrolle). Mit der seit drei Jahren möglichen „unverzüglichen Meldung“ funktioniert die Meldung über einen Treffer besonders schnell. Auch die Zahl dieser beschleunigten Meldung steigt kontinuierlich an.

Informationsaustausch über Behörden & Länder hinweg

Ganz im Sinne des allgemeinen Sicherheitsbewusstseins und erfreulicherweise mit neuem Gemeinschaftssinn denkt die EU nun eine Erweiterung dieser Kontrolle an. So soll nicht nur die ausschreibende Behörde bei einem Treffer informiert werden, sondern gleich alle (oder zumindest mehrere) Schengen-Mitglieder. Das ist aber noch nicht alles: Auch Interpol und diverse nationale und europäische Informationsdienste wie das Passagierdatensystem sollen eingebunden werden. Hoch lebe die Zusammenarbeit!

Die Überlegungen haben natürlich auch einen zahlenmäßigen Hintergrund: Die Antwort des Bundesministeriums auf eine „Schriftliche Frage“ zeigt, dass die heimliche Fahndung quasi „boomt“: So wurden 2016 „nur“ 96.108 Personen verdeckt verfolgt, 2017 waren es aber schon unglaubliche 129.412! Nicht unbedingt ein gutes Zeichen …

Wie funktioniert eine solche verdeckte Fahndung?

Man darf sich diese Möglichkeit jetzt nicht als aufregende Gangsterjagd vorstellen. Es handelt sich dabei wirklich um eine reine Daten-Geschichte. Verdeckte Kontrollen laut SIS-II ermöglichen eben Meldungen bei Interesse, aber es werden keinerlei Festnahmen oder Durchsuchungen der ausgeschriebenen Person durchgeführt. Die Daten, welche die Behörde über die Person erhält sind aber durchaus umfassend: Reiseweg, Reiseziel; Ort, Zeit und Anlass der Überprüfung; Begleitpersonen bzw. Insassen sowie mitgeführte Sachen und benutzte Transportmittel.

Wann darf verdeckt verfolgt werden?

Diese Regelung wurde im Vergleich zu früher entschärft: Heute reicht das Vorliegen einer einzigen Straftat bereits aus, in der Vergangenheit mussten es mehrere sein. In bestimmten Fällen reicht für die heimliche Verfolgung aber auch aus, wenn schwere Straftaten durch die ausgeschriebene Person zu erwarten sind oder der Staat erheblich gefährdet ist. Interessant ist auch, wer die Möglichkeit der verdeckten Verfolgung nutzt: Die Top 3 sind weit vorne Frankreich (44,43 % der Ausschreibungen), Großbritannien (14,6 %) und Italien (10,09 %). Deutschland liegt mit 4,63 % um einiges weiter hinten.


Erstellt am: 04/12/2018

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